Materialien zum 1. Bundestags/Untersuchungsausschusses, NSAUA
Heute, am 1. Dezember veröffentlicht Wikileaks über 90gb Dokumente, die Aufschluss über die Arbeit des 1. Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages zu den Überwachungstätigkeiten des deutschen Geheimdienstes BND und seiner Zusammenarbeit mit der amerikanischen NSA sowie dessen privat-wirtschaftlichen Auftragnehmern geben. Die Dokumente stammen aus verschiedenen Bundesbehörden, nicht nur dem BND und dem Bundesamt für Verfassungsschutz, und gingen dem Untersuchungsausschuss im vergangenen Jahr im Rahmen von Anfragen der Ausschussmitglieder an die Dienste zu.
In den 2,420 Akten sind neben den Auskünften auch schriftliche Korrespondenz zwischen dem Bundeskanzleramt, den Diensten und Ausschussmitgliedern sowie Hintergrundberichterstattung aus verschiedenen Medien enthalten, die offenbar teilweise als Anstoss für weitere Anfragen dienten.
Der Korpus umfasst u.a. 125 Dokumente aus dem BND, 33 aus dem BfV sowie 72 aus dem Bundesamt fuer Informationssicherheit.
Die Dokumente verdeutlichen Taktiken der Nachrichtendienste im Rahmen der parlamentarischen Untersuchung und geben Einblick in die Vorgänge im Ausschuss selbst. Aus Teilantworten und Klauseln geht hervor, mit welchen Arbeitserschwernissen die beteiligten Abgeordneten konfrontiert sind.
Ebenso liefern die Dokumente eine grobe Skizze der Aufklärungskooperationen zwischen befreundeten Geheimdiensten sowie Dienstleistungsbeschreibungen zu privaten Firmen ausgelagerten Tätigkeiten, die darauf schliessen lassen, wie Geheimdienste arbeiten.
Die Antworten der Zuständigen im BND sind oft ausweichend. So geht es in einem der Dokumente um die Anforderung einer detaillierten Auflistung jener privaten US-Firmen, die auch in Deutschland aktiv sind.
Noch immer wird dem NSAUA die Liste jener Selektoren vorenthalten, die der BND im Rahmen einer Amtshilfe im Namen der USA ausspäht. Es wird befürchtet, die Herausgabe würde die deutsch-amerikanischen Beziehungen belasten.
Während erste Erkenntnisse über die Geheimdienst-Kooperation durch die Arbeit des Ausschusses bereits aufgedeckt werden konnten (siehe auch die WikiLeaks-Veröffentlichungen von Transkripten aus dem Vorjahr), bieten die nun neu veröffentlichten Primärquellen eine weitere Grundlage für die Analyse und journalistische Aufarbeitung des Skandals. Unter anderem enthält die Sammlung frühe schriftliche Vereinbarungen zwischen BND und NSA, die interne Prozesse der Zusammenarbeit zeigen. So haben Mitarbeiter des BND Code zu XKeyscore beigetragen, und wurden in der Anwendung dieses Programms zur Analyse von Datensätzen aus der anlasslosen Massenüberwachung geschult.
Dokumentiert ist auch, wie die Dienste an ihren eigenen Dienstherren vorbeiarbeiten. Bei einem Audit/Besuch der bundesdeutschen Datenschutzbehörde beim BND wurde dem Auditor seitens des BND schriftliche Vermerke vorenthalten und erst freigegeben, nachdem sie durch den BND selbst geprüft worden waren.
Der 1. Untersuchungsausschuss in der auslaufenden Legislaturperiode wurde 2014 nach den Snowden-Enthüllungen eingerichtet, der mit seinen Leaks nachweisen konnte, dass die NSA nicht nur die gesamte Welt ausspioniert, sondern im Rahmen von Kooperationen mit anderen Geheimdiensten kooperierte, um das Spähhverbot gegen deren eigene Bevölkerung zu umgehen. Anrainerstaaten waren im Service inbegriffen.
Eins dieser Länder mit befreundeten Geheimdiensten ist Deutschland, das seit der Befreiuung durch die Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg in Militör-und Geheimdienstfragen eng mit den USA zusammenarbeitet. Über US-Stützpunkte in Deustschland und mit Hilfe des BND konnten so sowohl deutsche Bürger als auch europäische Institutionen überwacht werden.
WikiLeaks hat durch die Veröffentlichung von Unterlagen, die einen Lauschangriff auf Kanzlerin Angela Merkel sowie weiterer hochrangiger Mitarbeiter, EU-Offizielle und Frankreich belegen, dazu beitragen, die Notwendigkeitt einer parlamentarische Untersuchung deutlich zu machen.
Klärungsbedarf besteht weiterhin: Die Kooperationsvereinbarungen zwischen den Diensten und Ausgestaltung geheimdienstlicher Massnahmen sind für weite Teile der Bevölkerung ebenso obskur wie für grosse Teile des Parlaments.
Alle öffentliche Entruestung hat bisher nicht dazu geführt, Edward Snowden vor dem Ausschuss als Zeugen zu hören - aus Angst vor den politischen Konsequenzen.
Zufolge eines Beschlusses des Bundesgerichtshofes vom 21. November nach einer Beschwerde durch die Oppositionsfraktionen der Grünen und Linken soll die Bundesregierung nun Amtshilfe leisten und dem Whistleblower freies Geleit zusichern, damit er vor dem Ausschuss aussagen kann.
Diese Empfehlung ist aber nicht bindend, und CDU/CSU sowie die SPD haben durch Vertagung des Tagespunktes im Ausschuss direkt nach dem Urteil bewiesen, dass sie auf Zeit spielen und Snowden gar nicht vorladen wollen.
Julian Assange sagte: "Dieses wesentliche Beweismaterial belegt, dass der Untersuchungsausschuss die Snowden-Dokumente zwar verwendet hat, aber zu feige ist, um eine Zeugenaussage von Snowden in Berlin zu ermöglichen. Deutschland kann innerhalb der EU keine Führungsrolle übernehmen, wenn seine eigenen parlamentarischen Gremien im vorauseilendem Gehorsam gegenüber den USA agieren."